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Marienbad am Meer



eng.
At the end of the 1920s, Röder's great-grandfather Josef Behr worked as a concierge at the hotel then called "Bayrischer Hof" in Marienbad, Czech Republic; his family lived in the neighbouring village of Stokov.

Röder's grandparents belonged to the German-speaking minority of the so-called Sudeten Germans in Bohemia - an area in what was then Czechoslovakia. After the end of the Second World War, this population group was resettled in Germany.

The family narrative, driven primarily by Röder's grandmother, is that the place Marienbad was longingly called home.  

Since her childhood, Röder regularly travelled to that spa with her family and is confronted with her grandmother's glorified memories. Accordingly, Marienbad is stylised in Röder's series as a utopian place of longing in allusion to William Shakespeare and Ingeborg Bachmann. Röder thereby alludes to the fictional place in William Shakespeare's comedy A Winter's Tale: Bohemia. A desert country near the sea.
She borrows the title of her series from Bachmann's poem "Bohemia lies by the sea", in which, similar to the memories of her grandmother, a utopian ideal state is thematised.

With this series, Röder finally ties in with earlier works on family narratives that follow the desire for knowledge about one's own origins.

Today's neo-kitsch aesthetic of the city can be seen as "too decadent for today's taste". Röder uses this very place as the backdrop for a game with biographical and fictional identity constructions. In the apparent easiness of Marienbad, Röder repeatedly stages her mother in absurd and bizarre situations alongside erotically connoted motifs. The glamour of the old days is palpable, the melancholy is more evident.


dt.
Ende der 1920er Jahre war Röders Urgroßvater Josef Behr als Concierge im Hotel mit dem damaligen Namen »Bayrischer Hof« im tschechischen Marienbad tätig; seine Familie lebte im benachbarten Dorf Stokov.

Röders Großeltern gehörten zu der deutschsprachigen Minderheit der sogenannten Sudetendeutschen in Böhmen - einem Gebiet in der damaligen Tschechoslowakei. Nach Ende des zweiten Weltkrieges wurde diese Bevölkerungsgruppe nach Deutschland umgesiedelt.
Das Familiennarrativ, das vorallem von der Großmutter Röders vorangetrieben war, besagt, dass der Ort Marienbad sehnsüchtig als Heimat bezeichnet wurde.
 
Seit ihrer Kindheit reiste Röder regelmäßig mit ihrer Familie in jenen Kurort und wird mit den verklärten Erinnerungen der Großmutter konfrontiert. Entsprechend wird Marienbad in Röders Serie in Anspielung auf William Shakespeare und Ingeborg Bachmann als utopischer Sehnsuchtsort stilisiert. Röder spielt dabei auf den fiktiven Ort in Shakespeares Komödie »Ein Wintermärchen« an: Bohemia. A desert country near the sea.  Den Titel ihrer Serie entlehnt sie dem Gedicht Bachmanns »Böhmen liegt am Meer« in welchem, ähnlich den Erinnerungen der Großmutter, ein utopischer Idealzustand thematisiert wird.

Röder knüpft mit dieser Serie schliesslich an frühere Arbeiten über Familiennarrative an, die dem Verlangen nach Wissen über die eigene Herkunft folgen.

Die heutige Neokitsch-Ästhetik der Stadt kann als »zu dekadent für den heutigen Geschmack« gesehen werden kann. Röder nutzt eben jenen Ort als Kulisse eines Spiels mit biographischen und fiktiven Identitätskonstruktionen. In der scheinbaren Unbeschwertheit Marienbads inszeniert Röder neben erotisch konnotierten Motiven auch immer wieder ihre Mutter in absurden und skurrilen Situationen. Spürbar ist der Glanz der alten Tage, die Melancholie ist deutlicher. 

















title:
Marienbad am Meer

year:

2019 - ongoing

place:

Czech Republic 


























darkness in which I swim



engl. 
The life forms of algae originated around 2.2 billion years ago. Scientists believe that they are among the oldest plant organisms on earth. From a biological point of view, they are essential for our existence: every second breath we take contains oxygen from algae.

In the series darkness in which I swim, Nina Röder explores her fascination with algae. While some people find them disgusting, scary or frightening because they cannot see what is behind them, Röder pursues their personally perceived beauty and decorates them as her mother's hair.
Thus, this series is also a turn towards creatures that live in different depths of the sea, but which are also characterised by historically grown narratives - like the octopus. In films about aliens, it often serves as a phenotypical model and is thus stigmatised as alien or threatening. Due to its different brain structure, it is also a source of fascination: Scientists published a study in the journal Proceedings of the Royal Society B in 2021, which attributed so-called "episodic-like memory" to octopuses. This is an ability that allows octopuses to remember exactly when and where certain events took place until the last day of their lives. However, due to their reproduction behaviour, they do not pass these memories on to their later generations.

The familial transmission of memories and traumas forms another dimension of this series: with the darkness of the photographs, Röder draws on a melancholy that could already be traced in her earlier works in nature. It is a darkness that rests on the transgenerational trauma of fear of loss, which primarily affects the female line of her family and was triggered by the early death of her great-grandmother.


dt.
Vor circa 2,2 Milliarden Jahren sind die Lebensformen der Algen entstanden. Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass sie zu den ältesten pflanzlichen Organismen der Erde gehören. Aus biologischer Sicht sind sie für unsere Existenz unerlässlich: Jeder zweite Atemzug enthält Sauerstoff aus Algen.

In der Serie darkness in which I swim geht Nina Röder ihrer langjährigen Faszination nach Algen nach. Werden sie von einigen Menschen als ekelerregend, unheimlich oder beängstigend empfunden, weil nicht zu sehen, was sich dahinter befindet, geht Röder ihrer persönlich-empfundenen Schönheit nach und dekoriert sie als Haarpracht ihrer Mutter. 

So ist diese Serie auch eine Hinwendung zu Lebewesen, die in unterschiedlichen Meerestiefen leben, die aber auch aufgrund von historisch gewachsenen Narrativen geprägt sind – wie der Oktopus. In Filmen über Außerirdische dient er häufig als phänotypisches Vorbild und wird somit zum Fremden oder Bedrohlichen stigmatisiert. Aufgrund seiner andersartigen Hirnstruktur stellt er auch ein Faszinosum dar: Wissenschaftler veröffentlichten in der Zeitschrift Proceedings of the Royal Society B im Jahr 2021 eine Studie, welche Tintenfische so genannte “episodic-like memory” zusprechen. Eine Fähigkeit, mit welcher sich Tintenfische bis zum letzten Tag ihres Lebens genau erinnern können, wann und wo bestimmte Ereignisse stattgefunden haben. Aufgrund ihres Paarungsverhaltens geben sie diese Erinnerungen allerdings nicht an ihre Nachkommen weiter. 

Die familiäre Weitergabe von Erinnerungen und Traumata bildet eine andere Dimension dieser Serie: Mit der Dunkelheit der Fotografien knüpft Röder an eine Melancholie an, die schon in ihren früheren Arbeiten im Naturraum nachzuvollziehen war. Es ist eine Dunkelheit, die auf dem transgenerationalen Trauma der Verlustangst ruht, die vor allem die weibliche Linie ihrer Familie betrifft und ausgelöst wurde durch den frühen Tod ihrer Urgroßmutter. 


















title:
darkness in which I swim

year:

since 2022 

places:

Germany


























Champagner im Keller



eng.
When my grandparents died in 2017, my family had to clear out their house within a week and eventually sell it. Most of the grandparents' belongings were packed away randomly - only a few mementos were deliberately selected and stored in a basement room in my mother's house in Windsbach, Bavaria. At the beginning of 2020, the door of this room was opened again for the first time. With an ambivalence of astonishment and melancholy, all the objects, furnishings and above all the clothes of my grandmother were examined. It was in this same basement room that my mother and I staged portraits, self-portraits and still lifes for the camera during the first Corona Lockdown, using the objects we had picked up to create a stage for a theatre of the absurd. The series CHAMPAGNER IM KELLER joins my works about my family, in which I encounter loss and grief in a performative and humorous way. The series was created with the kind support of LEICA CAMERA DEUTSCHLAND.

dt.
Als Nina Röders Großeltern im Jahr 2017 starben, musste die Familie deren Haus innerhalb einer Woche ausräumen und schliesslich verkaufen. Die meisten Habseligkeiten der Großeltern wurden auf die Schnelle willkürlich eingepackt – nur einige Erinnerungsstücke wurden bewusst ausgewählt und in einem Kellerraum im Haus von Röders Mutter im bayrischen Windsbach eingelagert.

Anfang des Jahres 2020 wurde die Türe dieses Raumes zum ersten Mal wieder geöffnet. Mit einer Ambivalenz aus Verwunderung und Melancholie wurden alle Objekte, Einrichtungsgegenstände und vorallem die Kleidungsstücke der Großmutter begutachtet.

In eben diesem Kellerraum haben Nina Röder und ihre Mutter während des Corona-Lockdowns Portraits, Selbstportraits und Stillleben mit den aufgehobenen Gegenständen für die Kamera inszeniert und so eine Bühne für ein Absurdes Theater geschaffen.

Die Serie CHAMPAGNER IM KELLER reiht sich in Röders Arbeiten über ihre Familie ein, in welchen sie Verlust und Trauer auf eine performative und humorvolle Weise begegnet. Wie bereits in ihren vergangenen Serien setzt sich Röder mit individuellen Handlungsfähigkeiten auseinander und geht Fragen nach, welchen Einfluss unsere Familie und unsere Herkunft, sowie Verluste und vererbte Traumata auf unser Denken und Handeln haben können.

Mit dem Potential der fotografischen Inszenierung wird der Prozess des Loslassens von Familienmitgliedern in Röders Arbeiten somit als veränderbare Konstruktion der gegenwärtigen Wirklichkeit erfahrbar gemacht.

In Anlehnung an ein Zitat von Röders Großvater entstand der Titel der Serie. Anlässlich seines 90.Geburstages bekam dieser mehrere Flaschen Champagner geschenkt. Als bescheidener Mann brachte er eben jene in seinen Keller und sagte: »Wenn das Bier leer ist, trinken wir halt den Champagner im Keller.« 

Die Serie entstand mit freundlicher Unterstüztung von LEICA CAMERA DEUTSCHLAND.


















title:
Champagner im Keller

year:

2020

place:

Germany 


























wenn du gehen musst willst du doch auch bleiben



My grandparents, Franz & Theresia Protschka, once lived in Bohemia, a historically Czech region with large concentrations of German-speaking people. The area was one of the first to be absorbed by Nazi Germany during its expansion in the 1930s. Under the German occupation, Czech resistance was brutally suppressed. After the war ended, reprisals were swift: the vast majority of remaining Germans were expelled by force under order of the re-established Czechoslovak central government.

My grandparents were one of the families caught up in this movement of people; they lost everything they had. Eventually, they settled in Germany, but one element of their traumatic experience never left them: even as they built a new life, it was almost impossible for them to throw anything away.


They inhabited the same house in the town of Windsbach for more than 60 years; this place in the Franconia region of Germany became the center and meeting point for our family. They were both around 90 years old when they died in 2018. Unfortunately, given the circumstances in which all the descendants were living, we weren’t able to keep the house. Together with my mother, brother, and cousin, we went to clean it out before the sale.

These pictures were taken in the house during this cathartic, though difficult process. In particular, I focused on the endless decisions we had to make about whether to keep or give away historical or emotionally-charged objects. As taxing as this was, one way for us to not be too sad about losing the house –and all the associated memories – was to do absurd things in the photographs. By performing and acting for the camera, we found a way to deal with our loss and express our grief.

The title is a quote of nephew Luis, who was 9 years old at the time. He said this to me when he was my photo-assistant during a shoot in the house.



Photonews 10/2018
Text von Anna Gripp

Ende 2017 wurde das Haus der Großeltern im fränkischen Windsbach geräumt. Eine Entscheidung für die ganze Familie schließlich hatten Franz und Theresia Protschka nach der Flucht aus dem Sudetenland fast sechzig Jahre ihres Lebens hier verbracht. Kinder und Enkel lebten in der Nachbarschaft.

Als die Großeltern im Alter von ca. 90 Jahren innerhalb eines Jahres starben, war im Haus alles wie immer. Diese Kriegsgeneration schmiss nichts weg. Möbel, Kleidung, Mode – hier schien die Welt stehen geblieben zu sein. Für die Enkelin und Fotografien Nina Röder, geb. 1983 war dieses Haus nicht nur ein vertrauter Mittelpunkt der Familie, sondern auch passende Bühne für ihre fotografischen Inszenierungen.

Bereits 2008 entstand hier ihre Arbeit »Mutters Schuhe« mit Portraittryptichen der drei Frauengenerationen (Großmutter, Mutter, Tochter Nina) Später folgten die Serie »Laura« sowie »m und p«. Und so lag es nahe, zum Abschied von Großeltern und Haus nochmals eine Arbeit zu fotografieren. Der surreal-charmante Titel der Serie stammt von Röders neunjährigem Neffen. Bei den Fotografien wirkten mit: Mutter Dagmar, Cousine Laura und die Fotografin selbst. Wer möchte was als Erinnerung behalten? Welche Dinge werden »entsorgt«? Die Fotografien entstanden während dieses Entscheidungsprozesses kurz vor dem Verkauf des Hauses.

Nina Röder schreibt »Diese Arbeit untersucht also nicht nur die ästhetische Pluralität von gesammelten Objekten meiner Großeltern, sondern zeigt mit dem Stilmittel der Absurdität eine mögliche Herangehensweise mit Verlust, Trauer und Erinnerung umzugehen.« Genau diese Mischung von sentimentalem Festhalten und humorvoller Inszenierung macht den Reiz der Serie aus.

Nina Röder, die aktuell an der Bauhaus-Univerisät Weimar über performative Strategien in zeitgenössischer Fotografie promoviert und vor ihrem Master Theaterwissenschaften in Bayreuth studierte, schafft es gekonnt, sich von der braven Dokumentation zu lösen, ohne in übertriebenenm Klamauk zu landen. Ihre »Modelle« agieren aus der Situation heraus – sie wollen doch auch bleiben.


















title:
Wenn du gehen musst willst du doch auch bleiben

year:

2018

place:

Windsbach / Germany